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Türkische Fraueninitiative: Kriege legitimieren Gewalt an Frauen

Gegen Korruption müssen wir ein Netz aus Solidarität knüpfen

Ein Gespräch mit Feride Eralp und Deniz Bayram aus der Fraueninitiative für Frieden (FfF) über den Zustand der Flüchtlinge in der Türkei und die möglichen Folgen eines Handels mit der EU

Sibel Schick, Köln

Was ist FfF und was ist ihre wichtigste Agenda?

Eralp: Die FfF ist eine Organisation, die den Krieg und den Frieden aus der Perspektive der Geschlechterrollen betrachtet. Warum und wie wird ein Krieg anders von einer Frau erlebt? Inwiefern bestehen unterschiedliche Benachteiligungen und wie können diese für die persönliche Entfaltung der Frauen genutzt werden sind Fragen, mit denen wir arbeiten. Kriege polarisieren Gesellschaften und legitimieren Gewalt an Frauen. Diese Gewalt kann weder nur durch Krieg begründet werden, noch darf sie von der Diskussion ausgeschlossen werden.

Wie erläutern Sie den Handel zwischen der EU und der Türkischen Republik, die Grenzen zur EU für die Flüchtlinge zu schließen, die die Türkei durchqueren?

Bayram: Dieses Abkommen stellt eine Gefahr für die Flüchtlinge dar. Das würde die Menschen, die von Krieg, Unterdrückung oder Hunger fliehen, zwingen, entweder in der Türkei zu bleiben, oder zu ihren Ländern zurück zu kehren. Türkei ist ein gefährliches Land, in dessen Hauptstadt der IS Bomben sprengen kann.

Deutschland und die EU betrachten die Türkei als ein sicheres Herkunftsland mit der Hoffnung, dass sie die Anreise der Flüchtlinge nach Europa stoppt. Bevor die Türkei als Teil der Lösung betrachtet wird, muss sich die EU fragen, ob so viele Menschen diese lange, gefährliche Reise vornehmen würden, anstatt selbst auf die Idee zu kommen, in der Türkei zu bleiben.

Welche Integrationshilfen bietet die Türkei den Flüchtlingen an? Was sind die Hauptprobleme der Flüchtlinge?

Eralp: In die Türkei kann man flüchten, jedoch erwirbt man hier weder eine Arbeitsgenehmigung, noch eine permanente Aufenthaltsgenehmigung. Das trägt dazu bei, dass Flüchtlinge ohne Versicherung arbeiten, nicht selten unter Mindestlohn und manchmal sogar umsonst.

Andere Probleme finden sich in Bereichen der medizinischen Versorgung und Bildung. Sprachkurse für Flüchtlinge gibt es nicht. Asylanten sind in ihrer Mobilität begrenzt, indem sie an einen bestimmten Ort und deren Behörden gebunden sind. Ist der Kontakt zu diesen Behörden durch überregionale Umzüge nicht mehr möglich, verlieren sie den Asylstatus und die damit verbundenen Rechte.

In einer Stellungsnahme wiesen Sie darauf hin, dass der Handel zwischen der EU und der Türkei eine Pufferzone in der Türkei ermöglichen würde. Würden Sie diese Aussage erläutern?

Bayram: Europa ist bereit, die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zu übersehen, um einen Handel mit ihr abschließen zu können. Es ist schwer zu glauben, dass es eine Reihe unschuldiger Zufälle sind, dass zwei Wochen vor der Wahl in die Türkei gekommen, mit einer Übergangsregierung gehandelt und über eine ernste Summe Geld gesprochen wird, die schwer kontrollierbar ist. Aus irgend einem Grund war der Staatspräsident der Gesprächspartner, obwohl die Türkei nicht präsidial regiert wird. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte verschob die EU die Ankündigung des Entwicklungsberichts, weil der Termin kurz vor der türkischen Wahl gewesen wäre. All diese Zugeständnisse deuten an, dass die EU bereit ist, die Türkei in ihrer Flüchtlingspolitik zu unterstützen, zu der auch die Einrichtung einer Pufferzone gehört.

Was sind die möglichen Einflüsse des EU Handels auf spezifisch Frauen und Mädchen unter den Flüchtlingen?

Bayram: Frauen und Kinder, sprich die Schwächeren unter den Flüchtlingen, erleben größere Rechtsverbrechen, die manchmal auch andere Charakteristika haben. Wenn Frauen und Kinder aus oben genannten Gründen obdachlos leben, werden sie Opfer zu sexuellen Übergriffen und werden gezwungen, als Sexarbeiter zu arbeiten.

Weitere Aufnahmen würden die Bedingungen verschlechtern, ihre Leben noch unsicherer und noch schwieriger machen. Frauen und Kinder werden öfter missbraucht und angegriffen. Die Täter wissen, dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nicht nehmen wird, weil die Richter in der Regel an der Seite der Männer sind.

Eralp: Weder die Türkei noch die EU dürfen den Flüchtlingen die Grundrechte wegnehmen. Die OpponentInnen und Frauen aus Europa müssen eine Friedenspolitik führen, um die Grenzen zu zerstören und den Krieg in Syrien zu beenden. Gegen Korruption müssen wir ein Netz aus Solidarität knüpfen.

Eine redigierte Version dieses Beitrags wurde am 07.11.2015 von der Tageszeitung Junge Welt veröffentlicht.

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