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Eine Antwort auf Ronja Von Rönnes Beitrag an Feminismus

Heute wurde mir leider noch einmal bewiesen, dass es Menschen in Deutschland viel zu gut geht. Ronja von Rönne und ihr Beitrag Warum mich der Feminismus anekelt” haben uns die Grenzen der Oberflächlichkeit klar gemacht, die durch Wohlstand entstehen können.

Selten liest man einen Text, in dem das Wort „Ich“ so oft vorkommt wie in diesem. Zum Glück kann ich mir den Begriff dazu sparen, weil sie ihren Text so anfängt: „Ich bin keine Feministin – ich bin Egoistin.“

Ich fühle mich ihr gegenüber schuldig zu erklären, was Feminismus bedeutet, weil sie es offensichtlich nicht weiß. Feminismus ist ein Kampf dagegen, dass Frauen wegen ihres Geschlechts anders behandelt werden als Männer und er kämpft gegen die Vorurteile in der Gesellschaft, die bestimmte Verhaltensmuster oder Charaktereigenschaften mit Frau-Sein verbinden. Feminismus setzt sich dafür ein, dass Mädchen nicht als Mädchen erzogen werden und ihnen die Rollen der Ehefrau, Mutter oder Heldin nicht gedrängt werden. Es wurde schon viele Jahre darüber diskutiert was Geschlechter seien und man stellte fest, dass es eine reine Sache der Erziehung durch Familie und Gesellschaft sei. Wir bringen unseren Kindern bei, Frau oder Mann zu sein und dadurch entstehen diese Probleme wie der Aberglaube, dass Frauen bestimmte Berufe nicht ausüben können, weil sie so zart sind wie Rosen, oder, dass Frauen nicht miteinander befreundet werden können, weil sie immer für die selben Männer in Konkurrenz stehen. Es gibt zum Glück genug Frauen auf der Welt, die diese Problematik erkennen und sich dagegen wehren, ein Teil dessen zu sein.

Ich finde es abscheulich, dass es eine Frau nicht stören kann, dass Frauenkörper als reines Kapital angesehen werden und man dadurch Profit erzielen kann, denn man darf es ja. Dass Werbevideos Geschlechterrollen unterstützen und ausnutzen ist ja nichts neues, aber ich persönlich sehe es nicht ein, dass diese geldgierigen Kleinhirnler mich als Produkt vermarkten möchten. Die Denkweise, die Mann und Frau als zwei grundverschiedene Wesen wahrnimmt, ist der Ausgangspunkt dieses Problems und es wird u.a. mit Werbespots gefüttert und weitergeleitet. Da muss ich sie dazu einladen, das größere Bild zu sehen und sich nicht in Details verlaufen: Der Markt an Frauenkörper besteht nicht nur aus sexistischen Werbespots, sondern geht weiter bis in die Prostitution. Oder findet sie etwa, Prostituierte wären freiwillige Arbeitskräfte, die schon von Kind an von so einem Leben träumten?

Frau von Rönne behauptet, noch nie durch ihr Geschlecht benachteiligt zu sein. Wurde sie noch nie von Männern auf der Straße belästigt, nur weil sie eine Frau ist? Haben sie Männer noch nie in Bars oder Clubs gedrängt, nur weil sie eine Frau ist? Hielt man nie eine ihrer Fähigkeiten für erstaunlich, weil sie eine Frau ist? Dann freue ich mich für sie, aber wirklich von ganzem Herzen. Leider hat nicht jede Frau so viel Glück im Leben.

Das Argument, dass der deutsche Feminismus eine Charity-Aktion ist, akzeptiere ich nicht. In Deutschland sind genug Frauen, die auch selbst in der Arbeitswelt benachteiligt werden, weil Firmen ungern Frauen anstellen. Da Frauen potenzielle Mütter sind, sind sie teurere Arbeitskräfte als Männer. Rein wirtschaftlich gesehen ist eine Arbeiterin eine Investition für das Unternehmen. Sie wird eingearbeitet, aus- oder weitergebildet, bezahlt und BÄM – schon wird sie schwanger. Sagen wir mal, dass sie mindestens für ein Jahr in die Mutterpause geht – die Firma muss sie weiter auszahlen und währenddessen auch ihre Vertretung einarbeiten, wenn nötig aus- oder weiterbilden und bezahlen. Dadurch werden ganz viele Frauen schon während der Bewerbungsphase eliminiert, bevor sie die Chance haben, ihre Fähigkeiten beweisen zu können.

Selbst wenn man denkt, man sei selber nicht von Frauenfeindlichkeit betroffen oder benachteiligt, kann man auch behaupten, man habe überhaupt keinen Einfluss auf die persönlichen Katastrophen anderer? Ein Blick auf die Facebook Seite der Autorin und man sieht schon, wie gerne sie sich mit der neuesten Mode kleidet. Ihr Stil ist voller Hipster Klischees. Mode ändert sich jährlich und dementsprechend wird jedes Jahr der Kleiderschrank mit neuen Klamotten voll gemacht – ob sie ein Vermögen dafür ausgibt und auf fairen Handel ihrer Klamotten achtet? Ich glaube es nicht denn sie sagt es ja selber: Sie ist eine Egoistin! Dann lasst uns mal kurz reinschauen, wer alles diese Klamotten näht: Unterprivilegierte Frauen aus dritte Weltländern! Sie verdienen ihr Geld unter unmenschlichsten Bedingungen, arbeiten ohne Pausen für 20 Stunden am Tag und kriegen noch nicht mal Wasser zu trinken, damit sie nicht zur Toilette müssen! Kleine Mädchen pflücken ganze Tage in der brennenden Sonne Baumwolle anstatt zur Schule zu gehen und diese Ausbeutung finanziert genau diese Autorin mit ihren schicken, modischen Klamotten. Oder etwa nicht? Denkt ihr, sie könne mir ehrlich sagen, sie habe damit nichts zu tun? Wenn man dafür bezahlt, hat man wohl was damit zu tun, denn jeder hat die Wahl, wem man sein Geld gibt und keiner zieht keinen mit Gewalt in einen Laden und bringt sie zum Einkaufen.

Im Dezember 2013 fiel eine Audiodatei ins türkische Internet von einem Telefonat von Recep Tayyip Erdoğan und seinem Sohn Bilal. Es ging in diesem Telefonat darum, dass Bilal die Korruptionsgelder verstecken solle, weil viele Häuser und Wohnungen der Politiker und deren Kindern unter Korruptionsverdacht von Polizei gestürmt wurde. Egal wie sehr Erdoğan versucht sich so auszudrücken, dass es nicht ganz klar ist was er meint, fragt Bilal „Wie bitte, Väterchen? Kannst du es bitte wiederholen, Väterchen?“ als wäre er verwanzt. Seitdem gibt es einen Ausdruck im Türkischen für Menschen, die nicht so schnell sind: „Ich erkläre dir das so, als würde ich es Bilal erklären.“ Liebe Ronja von Rönne, ich erkläre dir meine Ansichten so wie ich sie Bilal erklären würde: Es mag sein, dass du damit zufrieden bist, weniger bezahlt zu werden als ein Kollege, der vielleicht nicht so klug ist wie du oder nicht so gut in seinem Job wie du. Von mir aus kannst du weiter so leben – jeder mit dem eigenen Selbstwertgefühl. Was du für dich für angemessen hältst muss mich nicht interessieren und keiner darf mir seine Ansichten drängen. Ich sehe es nicht ein weniger bezahlt zu werden als ein Mann und habe keine Lust, dass Frauen, die sich nicht so sicher sind, was daran so schlimm sein soll, von deinen frauenfeindlichen Ansichten beeinflusst werden. Gleich einen Antrag zum Arbeitgeber für eine Lohnerhöhung zu machen ändert nichts an ein ganzes System und so rettet man nur sich. Es tut mir nicht leid, dass ich keine Egoistin bin, denn ich weiß, dass sich die Welt nicht um mich dreht.

An diesem Punkt muss ich auch eins der Missverständnisse der Autorin korrigieren: Es handelt sich hier nicht um verschiedene Jobs, die Mann und Frau unabhängig von einander treiben, sondern um den selben, wo aber Mann und Frau unterschiedlich verdienen, obwohl sie genau die selbe Leistung bringen. Also der Umsatz des Puppenhaustraums mit Karottenkuchen hat nichts mit dem Gehalt des Besitzers einer Fastfoodkette zu tun – Angestellter und Selbständig sind zwei verschiedene Begriffe. Selbst dieser Vergleich der Autorin zeigt eindeutig, wie sexistisch und frauenfeindlich sie ist: Die Frau kann nur Puppenhausträume haben, sie will Karottenkuchen backen also sie verdient es, weniger bezahlt zu werden. 

Es handelt sich eben nicht um eine Welt, wo jeder für sich kämpft. Es ist eine globale Welt und alles, was wir hier machen hat einen Einfluss auf der anderen Seite der Erde, auf fremden Menschen, die wir nie kennen lernen werden. Ich hoffe, dass du dir irgendwann etwas mehr Gedanken darüber machst, anstatt an der Oberfläche zu kraulen und legst Feministinnen und Feministen keine Steine mehr in den Weg.